Inemuri – ein Begriff, der vielen womöglich unbekannt ist. Das Konzept dahinter dürfte allerdings bekannter sein: der Mittagsschlaf. Besonders interessant oder suspekt dürfte für die Deutschen sein, dass der Mittagsschlaf am Arbeitsplatz in Japan akzeptiert wird, sogar während Meetings.
Üblicherweise wird dies nicht als Faulheit angesehen, sondern als Ausdruck harter Arbeit.
Bei den ganzen modernen Trends, die momentan von anderen Ländern und Kulturen überschwappen, stellt sich daher die Frage, ob nicht auch Inemuri ein Trend für die deutsche Unternehmenslandschaft ist.
Eine kurze Geschichte des Mittagsschlafs
Zwei Welten
Alesi, Barmer, NASA
Beratung statt Mittagsschlaf
Fazit
Eine kurze Geschichte des Mittagsschlafs
Japan ist aber nicht das einzige Land oder die einzige Gegend auf der Welt, das während der Arbeitszeit einen Mittagsschlaf erlaubt. Die Siesta in Spanien ist weltweit ein Begriff. Die Siesta wurde zwar 2016 durch neue Wirtschaftsgesetze eingeschränkt oder gar aus dem beruflichen Alltag verbannt, sie ist jedoch bis heute fest in der spanischen Kultur verankert und wird, soweit noch erlaubt, weiterhin gelebt.
Das italienische Pendant zur Siesta heißt Riposo. Es wird üblicherweise nach dem Mittagessen abgehalten und kann zwischen 2 und 4 Stunden dauern. Obwohl es nicht durch ein Gesetz festgelegt ist, ist der Riposo heutzutage ebenfalls nicht mehr so weit verbreitet wie früher.
Im Silicon Valley sieht die Situation ganz anders aus. Die sogenannten Silicon Valley Sleepers sind mittlerweile ein gängiges Phänomen. Tech-Giganten wie Google installieren sogar eigens angefertigte Schlafkapseln, in denen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausruhen und erfrischen können.
Zwei Welten
In Deutschland prallen, wie bei jedem neuen Trend, mal wieder zwei Welten aufeinander. Auf der einen Seite stehen Unternehmen wie die Telekom-Tochter T-Systems International, die sich nach einer Mitarbeiterumfrage dafür entschieden haben, den Mittagsschlaf zu fördern.
Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch kritische Stimmen, die argumentieren, dass man für höhere Produktivität manchmal das Wohlbefinden hinten anstellen muss und quasi die Zähne zusammenbeißen sollte.
Kurzfristig mag dies sicherlich zu einer gesteigerten Produktivität führen, aber langfristig betrachtet ist es kritisch zu hinterfragen, da beispielsweise die Krankheitsausfälle aufgrund von Burn-out-Erkrankungen von Jahr zu Jahr steigen und neue Allzeithochs erreichen.
Alesi, Barmer, NASA
Ein Trend sollte jedoch nicht allein in Betracht gezogen werden, um als moderner Arbeitgeber zu gelten. Vielmehr sollte immer im Fokus stehen, dass Trends wie der Mittagsschlaf am Arbeitsplatz einen Mehrwert für Unternehmen bieten.
Dazu blicken wir erst einmal auf den Status quo in Deutschland. Laut einer Analyse der Barmer GEK aus dem Jahr 2022 leiden sechs Millionen Menschen an Schlafstörungen und können daher nachts nur begrenzt Energie auftanken. Dies erhöht das Risiko für chronische Krankheiten und beeinträchtigt die Leistungsfähigkeit, da diese Personen ihr Schlafdefizit tagsüber auch nicht ausgleichen können.
Der Mittagsschlaf scheint für diese Menschen also sinnvoll zu sein. Das gilt jedoch nicht nur für Personen mit Schlafstörungen. Die NASA hat herausgefunden, dass schon ein 30-minütiges Powernapping ausreicht, um die Reaktionsgeschwindigkeit um 16 % zu steigern, während gleichzeitig die Aufmerksamkeitsausfälle um 34 % verringert wird.
André Alesi, Geschäftsführer des Instituts für Schlaf und Regeneration, beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit dem Thema des Mittagsschlafs während der Arbeitszeit und ist ein deutlicher Befürworter – unter einer bestimmten Bedingung.
Der Mittagsschlaf sollte flexibel gehandhabt werden. Nicht alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möchten überhaupt schlafen und können auch nicht zur selben Zeit schlafen. Daher ist es wichtig, individuelle Pausenzeiten zu ermöglichen, was die meisten Unternehmen bereits durch ihre Gleitzeitregelungen berücksichtigen.
Generell argumentiert Alesi, dass nach 90-110 Minuten die Konzentration nachlässt und die Arbeit ineffizienter wird. Daher sollte nach dieser Zeit immer eine kurze Pause eingelegt werden. Das bedeutet natürlich nicht, dass alle 1,5 Stunden geschlafen werden soll. Es reicht aus, die Augen kurz zu schließen oder unbedarft durch die Gegend zu schauen. Atemübungen helfen, sich in kurzen Pausen erholen zu können.
Hartmuts Infopunkt
Das Arbeitsrecht legt keine spezifischen Vorgaben für die Mittagspause fest. Das bedeutet, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch ohne spezielle „Schlafpausen“ während der Mittagspause hinlegen können. In diesem Fall müsste der Arbeitgeber lediglich für einen Ruheort sorgen. Dabei muss es nicht unbedingt eine futuristische Schlafkapsel wie bei Google sein; ein einfacher Raum mit einigen Betten und gegebenenfalls Trennwänden würde ausreichen.
Beratung statt Mittagsschlaf
Wie erwähnt, müssen und sollten Unternehmen natürlich nicht auf jeden Trend aufspringen. Gerade wenn es darum geht, dass zusätzliche Räume geschaffen werden müssen und Extrakosten entstehen.
Arbeitgeber können ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch helfen, ohne, dass sie zusätzliche Ruheorte errichten müssen.
Im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements werden mittlerweile telefonische Schlafberatungen angeboten. Darüber hinaus steht den Unternehmen auch ein extra produzierter Podcast zur Verfügung. In „Schlafgeflüster“ geben Experten regelmäßig Tipps zur Verbesserung des Schlafs.
Denn ob Mittagsschlaf oder nicht, es gilt, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur mit ausreichendem und guten Schlaf ihr volles Potenzial ausschöpfen können. Ein Faktor, der für Unternehmen nach wie vor äußerst bedeutend ist.
Fazit
Wenn man an Spanien und Italien denkt, ist der Mittagsschlaf sicherlich kein neuer Trend. Frei nach dem Motto „Alles kommt wieder“ hat das Silicon Valley diesen Trend nun eben wiederentdeckt. Und bekanntermaßen wird alles, was im Silicon Valley eingeführt und zu einem gewissen Erfolg führt, weltweit diskutiert.
Sicherlich bietet der Mittagsschlaf während der Arbeitszeit viele Vorteile. Dennoch gehört zur Wahrheit auch, dass die deutsche Kultur das Schlafen während der Arbeitszeit nicht vorsieht. Es würde also bis auf wenige Ausnahmen ewig dauern, bis der Mittagsschlaf im Unternehmen etabliert und angenommen wird. Angesichts der entstehenden Kosten für die Einrichtung ist es jedoch schwer, einen echten Mehrwert in naher Zukunft zu erkennen.
Beratungen im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) sind daher zielführender, kostengünstiger und werden eher angenommen.
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