Ob Kickertisch, Hunde im Büro oder der obligatorische Obstkorb, viele Unternehmen geben sich große Mühe, nach außen als „Great Place to Work“ zu wirken. Doch was bleibt übrig, wenn man die Fassade mal weglässt?
In Zeiten von Wertewandel und Sinnsuche stellen sich viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genau diese Frage: „Meint ihr das ernst oder ist das nur Marketing?“.
Und genau hier trennt sich die Spreu vom Weizen zwischen echtem Kulturaufbau und Feelgood Symbolpolitik.
Was ist Feelgood-Management eigentlich und warum boomt es gerade jetzt?
Feelgood-Management bezeichnet Maßnahmen, die das emotionale Wohlbefinden am Arbeitsplatz stärken sollen. Die Idee dahinter ist ganz einfach: Wenn Menschen sich im Job wohlfühlen, sind sie motivierter, produktiver und bleiben dem Unternehmen treu.
Gerade im Wettbewerb um Fachkräfte setzen viele Unternehmen gezielt auf diese Maßnahmen. Sie gelten als sichtbare Zeichen von Wertschätzung, Offenheit und Modernität.
Typische Feelgood-Beispiele:
- Lounge-Ecken statt trister Besprechungsräume
- Hunde im Büro
- Monatliche Teamlunches
- Geburtstagsüberraschungen
- Massagen oder Yoga-Angebote
- Gratis Getränke und Obst
All das wirkt natürlich auf den ersten Blick positiv, wenn es zum Unternehmen passt und von echter Wertschätzung getragen wird.
Doch bei aller Sympathie: Feelgood alleine reicht nicht aus, um eine starke Kultur zu etablieren oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter langfristig zu binden.
Wenn Feelgood zur Fassade wird
In einigen Unternehmen ist Feelgood-Management zum Selbstzweck geworden. Es werden Angebote gemacht, weil „man das heute eben so macht“.
Es entsteht ein Außenbild, das modern und mitarbeiterzentriert wirken soll, doch oft fehlt der tatsächliche Bezug zu den Bedürfnissen der Menschen im Unternehmen.
Einige Beispiele für diesen Kontrast sind:
- Es gibt flexible Arbeitszeiten, aber wer früher geht, wird schief angeschaut.
- Die Führungskräfte laden zum Afterwork-Lunch ein, aber echtes Feedback ist nicht gewünscht.
- „Work-Life-Balance“ wird groß beworben, aber E-Mails am Wochenende werden als Engagement gewertet.
- Feedbackgespräche sind Teil des Onboardings, danach fragt aber niemand mehr.
Diese Widersprüche wirken oft subtil, werden aber schnell wahrgenommen. Gerade neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter merken innerhalb der ersten Wochen, ob das Unternehmen wirklich lebt, was es nach außen darstellt.
Die Konsequenz: Vertrauensverlust und im schlimmsten Fall eine stetige Fluktuation.
Echte Kulturarbeit beginnt innen
Kulturarbeit ist kein Wohlfühlprojekt, sondern eine zentrale Führungsaufgabe. Sie beginnt dort, wo es unbequem wird: beim Hinterfragen von Machtverhältnissen, beim aktiven Zulassen von Kritik, beim ehrlichen Umgang mit Konflikten und dem bewussten Verzicht auf Kontrolle.
Ein Unternehmen, das seine Kultur wirklich gestalten will, stellt sich unter anderem diese Fragen:
- Wie treffen wir unsere Entscheidungen und wer darf mitreden?
- Wie gehen wir mit Fehlern um?
- Wird Kritik gehört und wirklich ernst genommen?
- Ist psychologische Sicherheit gegeben? Haben die Beschäftigten das Gefühl, sich ohne Angst äußern zu können?
- Werden Werte nur kommuniziert oder auch wirklich gelebt?
Die Antworten auf diese Fragen sind oft ernüchternd, doch genau in ihnen liegt der Schlüssel für echte Entwicklung.
Feelgood ja, aber bitte mit Substanz!
Das soll nicht heißen, dass Feelgood-Angebote per se schlecht sind. Ganz im Gegenteil: Sie können ein wertvoller Teil einer gesunden Unternehmenskultur sein, wenn sie ehrlich gemeint, passend ausgewählt und mit echten Mitgestaltungsmöglichkeiten verbunden sind.
Substanz erkennt man unter anderem daran:
- Feelgood-Angebote basieren auf echten Bedürfnissen und werden gemeinsam entwickelt.
- Die Maßnahmen sind kein Ersatz für gute Führung, sondern eine Ergänzung.
Wenn Feelgood-Management ein Baustein ist, kann es durchaus eine wichtige Rolle spielen. Aber eben nicht als Show-Einlage, sondern als Spiegel echter Haltung.
Kultur sichtbar machen, aber nicht inszenieren
Ein zentrales Ziel des Personalmarketings ist es, die Unternehmenskultur nach außen sichtbar zu machen.
Doch genau hier lauert die Gefahr, dass Kultur oft „designt“ statt beschrieben wird. Es entstehen zu perfekte Employer-Branding-Kampagnen, die mit der Realität nichts mehr zu tun haben.
Authentisches Personalmarketing braucht deshalb vor allem eins: Mut zur Ehrlichkeit.
Und das bedeutet:
- Echte Geschichten statt Hochglanz-Floskeln
- Einblicke in den Arbeitsalltag, auch wenn mal etwas schief geht
- Interviews von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht nach außen zu beschönigen
- Führungskräfte, die sich auch mal selbst reflektieren
Denn merken Bewerberinnen und Bewerber, dass das Bild im Bewerbungsprozess nicht zur Realität passt, werden sie nicht bleiben oder erst gar nicht unterschreiben.
Von innen nach außen: Personalmarketing beginnt im Team
Die beste Arbeitgebermarke entsteht nicht durch Slogans, sondern durch Gespräche. Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich gesehen, gehört und ernst genommen fühlen, reden sie darüber. Im Freundeskreis, im Familienchat, auf Kununu oder LinkedIn.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die besten Markenbotschafter eines Unternehmens, wenn sie sich mit dem Unternehmen identifizieren können.
Und das gelingt nur, wenn die Kultur stimmt. Deshalb braucht es:
- Transparente Kommunikation: Was passiert warum?
- Echte Beteiligung: Ideen ernst nehmen und Veränderungen erklären
- Klare Erwartungen: Was zählt wirklich und was nicht?
- Wertschätzende Führung: Die weiß, dass gute Kultur kein Zufall ist
Fazit: Personalmarketing braucht Haltung und keine Show
Heutzutage reicht es nicht mehr, nur ein nettes Bild vom Unternehmen zu malen. Menschen suchen keine Benefits, sondern Sinn. Keine Events, sondern echte Gespräche. Keine Symbolik, sondern Substanz.
Wer das versteht und seine Kultur gezielt auf Vertrauen, Transparenz und Beteiligung aufbaut, wird nicht nur als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen, sondern auch als glaubwürdiger.
Denn gute Kultur erkennt man nicht an der Gestaltung der Karrierewebseite, sondern daran, wie man miteinander spricht, entscheidet und arbeitet. Jeden Tag.
Und das ist keine Frage von Feelgood, sondern von Haltung.