Das Imposter-Syndrom, auch bekannt als Hochstapler-Syndrom, beschreibt nicht das Verhalten von Menschen, die sich absichtlich als jemand anderes ausgeben, um bessere Jobs zu bekommen.
Stattdessen handelt es sich um eine psychologische Erkrankung, bei der Betroffene ihre eigenen beruflichen Erfolge infrage stellen. Sie glauben, dass sie ihre Position oder Anerkennung nicht wirklich verdient haben und, dass andere bald ihren vermeintlichen „Betrug“ entdecken werden.
Dieses Syndrom kann erhebliche Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl und die psychische Gesundheit haben, was wiederum das gesamte Unternehmen beeinflussen kann.
Was ist das Imposter-Syndrom?
Auswirkungen auf Betroffene
Die Unternehmenskultur und das Imposter-Syndrom
Führungskräfte und das Imposter-Syndrom
Die Rolle von HR
Fazit
Was ist das Imposter-Syndrom?
Das Imposter-Syndrom wurde erstmals 1978 von den Psychologinnen Dr. Pauline R. Clance und Suzanne A. Imes beschrieben. Es wurde damals häufig bei erfolgreichen Frauen beobachtet, die sich selbst als Hochstaplerinnen empfanden und glaubten, ihre beruflichen Leistungen würden überschätzt. Zu den Hauptsymptomen zählen Selbstzweifel und die ständige Angst, als Betrüger entlarvt zu werden. Betroffene führen ihre Erfolge oft auf äußere Umstände wie Glück, Zufall oder Unterstützung durch andere zurück.
Ursprünglich wurde angenommen, dass das Imposter-Syndrom hauptsächlich bei erfolgreichen Frauen vorkommt. Neuere Studien zeigen jedoch, dass auch Männer davon betroffen sind und, dass das Syndrom nicht nur im beruflichen, sondern auch in anderen Lebensbereichen auftreten kann. Trotzdem bleibt der Fokus der Forschung überwiegend auf dem beruflichen Umfeld.
Auswirkungen auf Betroffene
Um dem Hochstapler-Syndrom effektiv begegnen zu können, müssen Unternehmen ein tiefes Verständnis für das Syndrom und seine Auswirkungen auf die Betroffenen entwickeln. Dr. Lauren Lomeli, die an der Texas A&M University in Arbeits- und Organisationspsychologie promoviert hat, identifiziert Angst und fehlendes Selbstwertgefühl als zentrale Folgen des Syndroms. Diese können langfristig zu Depressionen führen und sowohl das berufliche als auch das private Leben beeinträchtigen, was die allgemeine Lebenszufriedenheit mindert.
Ein weiteres Problem, das Dr. Lomeli anspricht, ist die Selbstsabotage, bei der Betroffene bewusst Chancen ungenutzt lassen. Besonders bedenklich ist dies bei Führungskräften, da ihre Unsicherheit und Zurückhaltung sich nicht nur auf sie selbst, sondern auch auf ihr Team auswirken. Dies kann ein unterambitioniertes Betriebsklima schaffen und zu allgemeinem Unmut führen.
Die Unternehmenskultur und das Imposter-Syndrom
Beim Imposter-Syndrom spielen selbstverständlich auch äußere Einflüsse, insbesondere die Unternehmenskultur, eine bedeutende Rolle. In einem Umfeld, das Stereotype verstärkt oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abwertet, kann das Syndrom leicht gedeihen. Dies betrifft nicht nur genderspezifische oder migrationsbedingte Unterschiede, sondern auch die ungleiche Behandlung verschiedener Unternehmensbereiche.
Ein Beispiel dafür ist das unverdiente Lob für bestimmte Abteilungen, das Druck auf andere ausübt, die eigenen Standards an ihre Arbeit zu überdenken und zu erhöhen. Ebenso können unterschiedliche Auslegungen von Homeoffice-Regelungen das Gefühl verstärken, dass bestimmte Kolleginnen und Kollegen als vertrauenswürdiger gelten. In dieser Situation sehen Betroffene nicht, dass es häufig nachvollziehbare Gründe für die unterschiedlichen Regelungen gibt.
Das mangelnde Bewusstsein für das Imposter-Syndrom in Unternehmen führt dazu, dass solche Probleme nicht erkannt und adressiert werden, was die Situation weiter verschärfen kann.
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Führungskräfte und das Imposter-Syndrom
Führungskräfte sind, wie bereits erwähnt, besonders häufig vom Imposter-Syndrom betroffen. Gleichzeitig stellen sie jedoch einen wichtigen Faktor bei der Verbesserung der Arbeitsatmosphäre dar. Als Vorbilder sind Führungskräfte dafür verantwortlich, die Werte und Verhaltensweisen im Unternehmen vorzuleben.
Um eine positive Arbeitsumgebung zu schaffen, sollten Führungskräfte darauf verzichten, die Leistungen von Teammitgliedern direkt zu vergleichen. Einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bringen unterschiedliche Fähigkeiten und Talente mit, die in verschiedenen Bereichen zur Geltung kommen. Daher ist es oft schwer, eine faire Vergleichsbasis zu finden.
Darüber hinaus fördert eine empathische Führung das Selbstvertrauen und die Anerkennung individueller Erfolge, hilft Teammitgliedern zu wachsen, ohne in Selbstzweifel zu verfallen.
Die Rolle von HR
Nicht nur Führungskräfte sind in der Verantwortung, die Arbeitsumgebung für Betroffene des Hochstapler-Syndroms zu verbessern. Der Personalbereich (HR) steht zwar selten in dauerhaftem, direktem Kontakt mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, doch er kann das große Ganze im Blick behalten und positiv beeinflussen.
Oft bleibt beispielsweise das Ziel der Inklusion in vielen Unternehmen nicht mehr als reine Alibipolitik. Insbesondere psychische Erkrankungen sind nach wie vor stark mit Vorurteilen behaftet. Der HR-Bereich sollte daher verpflichtende Schulungen zur Aufklärung dieser Erkrankungen einführen. Diese Schulungen können die Selbstreflexion fördern und sowohl das Verhalten der Betroffenen als auch ihrer Kolleginnen und Kollegen verbessern.
Dabei sollten die Schulungen nicht nur das Hochstapler-Syndrom umfassen. Auch andere psychische Erkrankungen wie das chronische Erschöpfungssyndrom und Depressionen werden oft nicht ernst genommen. Hier ist ebenfalls Aufklärung notwendig, um ein unterstützendes und verständnisvolles Arbeitsumfeld zu schaffen.
Fazit
Psychische Erkrankungen sind glücklicherweise nicht mehr das Tabuthema, das sie einmal waren. Trotzdem werden sie häufig nicht so ernst genommen, wie es nötig wäre.
Eine gute Unternehmenskultur, ein gesundes Arbeitsumfeld und empathische Kolleginnen und Kollegen stellen jedoch eine erhebliche Hilfe für Betroffene dar. Diese Faktoren können dazu beitragen, mentale Probleme zu verringern, sodass sie nicht zu langfristigen Krankschreibungen führen.
Angesichts des Fachkräftemangels ist alleine der Aspekt der Reduzierung von Krankentagen ein Umstand, der Unternehmen dazu bewegen sollte, in die Aufklärung zu investieren und ein besseres Arbeitsumfeld zu fördern.
Natürlich ist auch das nicht umsonst, aber die Mühe wird sich lohnen.