Die „Fortschrittsregierung“, wie sich die aktuelle Regierung zu Beginn ihrer Amtszeit nannte, begann ambitioniert – unter anderem auch im Bereich der Familienpolitik. Im Koalitionsvertrag ist hierzu klar festgehalten, dass nicht nur Müttern, sondern auch Vätern eine bezahlte Auszeit nach der Geburt ihres Kindes ermöglicht werden soll – die Familienstartzeit.
Passiert ist seitdem wenig. Nun wird erneut davon gesprochen, dass das Gesetz zur Familienstartzeit endlich kommt. Ob das passiert, bleibt fraglich. Das bietet Unternehmen ungeahnte Möglichkeiten.
Was ist die Familienstartzeit?
HR als Politikersatz
Henkel, Funke, Vodafone & Co.
Wieso schon wieder HR?
Fazit
Was ist die Familienstartzeit?
Die Familienstartzeit soll es Familien ermöglichen, nach der Geburt ihres Kindes gemeinsam Zeit zu verbringen und sich an das neue Leben zu gewöhnen. Gerade die ersten Tage nach der Geburt sind eine Umstellungsphase, in der sich Aufgaben und Zeitmanagement erst einspielen müssen.
Das Gesetz zur Familienstartzeit sieht daher eine Freistellung für den Partner vor, die bis zu 10 Tage umfassen kann. Der erste Tag dieser Freistellung soll der Tag der Geburt oder der darauf folgende Arbeitstag sein. Dabei soll es weder eine Mindestbeschäftigungsdauer noch eine Anmeldefrist geben.
Als Partnerin bzw. Partner gilt:
- das andere Elternteil, das im gleichen Haushalt wie die Frau, die entbunden hat, lebt.
- eine Person, die in einer Lebenspartnerschaft und im gleichen Haushalt lebt, wie die Frau, die entbunden hat.
- eine Person, die die Frau wählen kann, wenn der andere Elternteil nicht mehr mit der Frau, die entbunden hat, in einem Haushalt lebt.
Die Vergütung, die in der Familienstartzeit gezahlt wird, wird als Partnerschaftslohn bezeichnet und soll als eine Art finanzielle Absicherung dienen.
HR als Politikersatz
Denken Sie einmal darüber nach, wie viel Geld Ihr Unternehmen für Benefits wie Jobräder, Fitnessstudio-Mitgliedschaften, Obstkörbe oder Candybars ausgibt. Solche Angebote können zwar tatsächlich ein Anreiz für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sein, sich für Ihr Unternehmen zu entscheiden, doch wenn wir ehrlich sind, könnten sich die meisten von ihnen das Fitnessstudio auch selbst leisten, wenn sie es wollten. Zudem gibt es sicher einige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zwar eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio abschließen, weil sie umsonst ist, aber auf Dauer nicht nutzen.
Die Familienstartzeit hingegen ist ein Benefit, den nur wenige Unternehmen anbieten und der nicht so einfach ersetzbar ist. Natürlich könnten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch bezahlten Urlaub nehmen, um die erste Zeit mit ihrer neuen Familie zu verbringen. Doch da die Familienstartzeit auf EU-Vorgaben basiert, wird ein entsprechendes Gesetz früher oder später ohnehin eingeführt.
Warum also nicht jetzt schon einen Schritt voraus sein und Vätern oder Partnerinnen und Partnern etwas Besonderes bieten, das bald ohnehin gesetzlich verankert wird?
Natürlich würden Ihrem Unternehmen dadurch Kosten entstehen. Aber wer weiß, wie lange? Womöglich 12 Monate, vielleicht aber auch nur zwei Monate lang. Und da die Familienstartzeit nur für eine kleine Gruppe an Männern und Frauen gelten wird, werden die Kosten nicht explodieren.
In der Zwischenzeit wird Ihr Engagement dem öffentlichen Ansehen Ihres Unternehmens extrem helfen. Schließlich werden Unternehmen, die sich für Familien einsetzen in der Regel sehr positiv wahrgenommen.
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Henkel, Funke, Vodafone & Co.
Die oben genannten Unternehmen bieten bereits eine Familienstartzeit an, oft mehrere Wochen lang und bei vollem Lohnausgleich. Dabei wird das Elterngeld berücksichtigt, sodass die Unternehmen „nur“ die Differenz zwischen Elterngeld und Nettoverdienst übernehmen müssen.
Diese Entscheidung basiert auf der Überzeugung, dass Familie und Beruf bestmöglich miteinander vereinbar sein sollten, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern optimale Arbeitsbedingungen zu bieten. Solche Benefits tragen zudem erheblich zur stärkeren Identifikation mit dem Unternehmen bei.
Allerdings können bei einem mehrwöchigen Lohnausgleich hohe Kosten entstehen – im Vergleich zu einer 10-tägigen Familienstartzeit sogar sehr hohe. Deshalb sind solche Benefits zwar für werdende Familien hervorragend, aber nicht für jedes Unternehmen finanziell umsetzbar.
Wieso schon wieder HR?
Die Frage, warum ausgerechnet der HR-Bereich wieder eine solche Neuerung vorantreiben soll und sich dabei vermutlich erneut anhören muss, wie teuer das alles werden wird, ist berechtigt. Die Antwort darauf ist jedoch ebenso klar.
Kein Unternehmensbereich hat das Prinzip „People first“ so stark verinnerlicht wie HR. Während Vorstände und Geschäftsleitungen oft Zahlen den Vorrang geben, ist es die Aufgabe von HR, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Denn es ist wohl unstrittig, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur dann Höchstleistungen erbringen, wenn sie sich wohlfühlen.
Deshalb obliegt es mal wieder HR, die Initiative zu ergreifen und sich – trotz möglicher kritischer Kommentare von Vorgesetzten – dafür einzusetzen, dass neben Müttern auch Väter nicht vernachlässigt werden.
Die Tatsache, dass ein Gesetz zur Familienstartzeit ohnehin kommen wird und damit die freiwillig getragenen Kosten begrenzt bleiben, kann dabei als gutes Argument dienen.
Fazit
Benefits sind wichtig und sollten natürlich eine breite Masse im Unternehmen ansprechen. Betrachtet man hier jedoch die Kosten und den tatsächlichen Nutzen, sind manche Benefits mindestens fragwürdig.
Die Familienstartzeit ist hingegen ein Benefit, das zwar ebenso nicht kostenlos ist und nur eine kleine Zielgruppe anspricht. Es hilft Familien und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wirklich, eine spannende aber auch anstrengende Zeit zu meistern.
In der Regel werden solche Benefits außerdem vom ganzen Unternehmen als positiv bewertet, unabhängig davon, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Ende tatsächlich in den Genuss des Benefits kommen.