New Work wird oft als neumodischer Begriff wahrgenommen, der als Allheilmittel gegen den Fachkräftemangel dienen und nebenbei auch noch die Generation Z vom eigenen Unternehmen überzeugen soll. Dabei wurde der Begriff „New Work“ und das gleichnamige Konzept bereits Ende der 70er, Anfang der 80er von Frithjof Bergmann geprägt. Es sollte als Gegenpol zum Sozialismus dienen und eine Arbeit symbolisieren, die Arbeiterinnen und Arbeiter als sinnvoll erachten und tatsächlich erledigen möchten.
New Work heute
New Work ist heute nicht mehr nur ein Gegenpol zum Sozialismus, sondern stellt die Arbeitswelt, wie wir sie kennen, in Frage. Es steht zwar weiterhin, wie schon in den 80er Jahren, die Arbeitnehmerin und der Arbeitnehmer im Fokus, die Digitalisierung und Globalisierung bieten jedoch eine Vielzahl an Möglichkeiten, um Arbeitnehmerinnen und –nehmer in den Vordergrund zu rücken. Der momentan meistdiskutierte Punkt ist die Verringerung der Arbeitszeit durch die 4-Tage-Woche, mehr Urlaubstage oder die 30-Stunden-Woche.
Darüber hinaus bedarf es einer umfassenden Digitalisierung der Arbeitsumgebung. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen überall in der Lage sein, ihre Arbeit zu erledigen. Funktionierende Laptops und Smartphones sollten daher eine Selbstverständlichkeit sein, keine Ausnahme.
Neben der Digitalisierung bilden moderne, smarte Büroräumlichkeiten eine wichtige Säule des Konzepts. Themen, die ein konzentriertes Arbeiten erfordern, können im Homeoffice erledigt werden. Offene Räume und „Shared Desks“ sollen heutzutage vielmehr zu einer kreativen, teamübergreifenden Arbeitsumgebung beitragen.
Es sind aber nicht nur Änderungen der Arbeitsumgebung gefragt. Auch der Führungsstil innerhalb der Unternehmen muss neu gedacht werden. Der Top-down Führungsstil ist schon heute überholt. Das Konzept von New Work geht aber noch gezielter auf eine Feedbackkultur ein, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowohl bei der Aufgabenverteilung als auch bei der Gestaltung von Werten einbezieht.
Das Problem mit der „neuen Arbeit“
Der Ansatz der „neuen Arbeit“ ist alleine schon von Berufswegen eher philosophischer Natur. Schließlich war Frithjof Bergmann genau das, ein Philosoph. Es geht also nicht nur darum, das Arbeitsumfeld zu verändern, sondern um einen Wandel des Menschenbildes. Bislang wird der Mensch häufig als Ressource betrachtet, die dem Unternehmen dient. Alleine das Wording des Arbeitgebers und Arbeitnehmers verdeutlicht das. Arbeitgeber sind großzügig und verteilen etwas, Arbeitnehmer nehmen etwas entgegen und stehen daher in der Schuld des Arbeitgebers.
Der Ansatz von New Work ist es, Arbeit so zu gestalten, dass sie dem Menschen dient. Diese Essenz ist, wenn auch nicht genau so formuliert, mittlerweile in vielen Unternehmen angekommen. Daraus entstehen zahlreiche, teils aktivistische Ideen wie der berühmt berüchtigte Obstkorb, gemeinsame Yoga Stunden oder die 4-Tage-Woche.
Doch hier wird das erste Problem von New Work sichtbar. Unternehmen bieten zwar viele Vorteile an, verlieren aber oft die allgemeinen Spielregeln aus den Augen und verwirren sich in ihrer Umsetzung. Dies hat jedoch wenig mit dem eigentlichen Konzept der „neuen Arbeit“ zu tun. New Work ist ein ganzheitlicher Ansatz, der strategisch durchdacht und umgesetzt werden sollte. Dies erfordert keinen Wettbewerb darüber, wer die meisten Benefits anbieten kann, sondern die Schaffung von Rahmenbedingungen, die individuell gelebt werden können.
Ein gutes Beispiel hierfür sind Shared Desks. Viele Unternehmen führen Shared Desks ein, um sich als moderner Arbeitgeber zu präsentieren. Homeoffice steht in diesem Zusammenhang natürlich an vorderster Stelle der Modernisierungsagenda. Grundsätzlich sind Shared Desks ein wichtiges Element für die Zukunft der Arbeitswelt. Sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter allerdings gezwungen, im Homeoffice zu arbeiten, weil es nicht genug Arbeitsplätze im Büro gibt, dann rückt nicht das Wohl des Einzelnen, sondern vielmehr das Einsparpotenzial durch verringerte Büroflächen in den Vordergrund. Es gibt schließlich noch immer viele Menschen, die sich im Büro wohler fühlen als im Homeoffice.
Die ökonomischen Ziele als weiteres Problem
Technologieunternehmen wie Google, Microsoft und Amazon sind oft Wegbereiter für Trends der Arbeitswelt, einschließlich des „New Work“-Konzepts. In ihren Büros gibt es Schlafmöglichkeiten, kostenlose Snackbars, Fitnessräume und natürlich Co-Working-Spaces und Shared Desks. Dadurch verkörpern sie das Idealbild einer modernen Arbeitsumgebung und vermitteln ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern täglich die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit. So lautete zumindest lange Zeit die leicht glorifizierte Ansicht über die Tech-Giganten.
Doch zu Beginn des Jahres änderte sich das Bild, als Tech-Unternehmen plötzlich Massenentlassungen ankündigten. Exponentielle Wachstumsprognosen wurden durch die Pandemie abrupt gestoppt, und die Ressource Mensch wurde schlichtweg nicht mehr in dem gleichen Umfang benötigt. In gewisser Weise wurde die Idee von New Work verraten, Menschen wurden entlassen, und der Fokus lag auf Umsatz und Gewinn, anstatt auf dem Individuum.
Dies führt uns zum zweiten Problem im Zusammenhang mit der New Work. Unternehmen sind nur selten Forschungslabore, die bessere Arbeitsansätze für die gesamte Menschheit erproben. Letztendlich müssen Unternehmen Gewinne erzielen, insbesondere wenn sie Aktiengesellschaften sind und gegenüber ihren Aktionären Rechenschaft ablegen müssen. Daher sind Konzepte oft nur solange gut, solange sie Gewinne erwirtschaften. Oder etwas plakativer ausgedrückt: Google bietet kostenlose Abendessen nur an, damit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter länger arbeiten und höhere Umsätze erzielen, nicht um ihrer Belegschaft ausgewogene Mahlzeiten zu bieten.
Ist New Work bereits Geschichte?
Tech-Unternehmen bekommen es nicht hin, große Unternehmen schmeißen ohne Sinn und Verstand mit Benefits um sich, solange sie es sich leisten können und in Wirklichkeit ist das Konzept der New Work gescheitert.
So zumindest liest sich der Beitrag bis hier hin, jedoch gibt es nun eine kleine Wendung:
New Work ist keineswegs am Ende. Im Gegenteil, frei nach dem Vorbild von Asterix und Obelix gibt es auch in der Welt der New Work „kleine gallische Dörfer“, die den allgemeinen Gegebenheiten trotzen.
eMagnetix zeigt wie es geht
eMagnetix ist eine Online-Marketing-Agentur aus Oberösterreich. 2017 hatte das Unternehmen mit dem Fachkräftemangel und ausbleibenden Bewerbungen zu kämpfen. Von schwedischen Modellversuchen inspiriert, entschied man sich einen neuen Weg zu gehen. New Work sollte nicht länger eine utopische Version der Zukunft sein, sondern gelebt werden. Ein Jahr später begann das Experiment.
Bevor wir an dieser Stelle die Maßnahmen von eMagnetix skizzieren, blicken wir erst einmal auf die Erfolgsbilanz seit 2018:
- European Best Workplace 2022“
- „Best Workplace Austria“
- Umsatzsteigerung von rund 1.000.000 € auf ca. 3.000.000 €
- Verdreifachung der Mitarbeiteranzahl
- Steigerung der Produktivität um 34 %
- Anzahl Bewerberinnen und Bewerber pro Stelle zwischen 60 und 80
Das Maßnahmenpaket
- 30 Stunden, 4 Tage die Woche
Einer der ersten Schritte zur Schaffung eines attraktiven Arbeitgeberimages erfolgte bei eMagnetix im Jahr 2018 mit der Einführung der 30-Stunden-Woche. Anfangs wurden die 30 Stunden noch auf fünf Tage verteilt, wodurch jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter dazu verpflichtet war, täglich 6 Stunden zu arbeiten. Mit der Zeit wurde dieses Modell jedoch um die Einführung einer 4-Tage-Woche erweitert. Seitdem können alle Angestellten von Woche zu Woche frei entscheiden, ob sie 4 oder 5 Tage arbeiten möchten, wobei sie ihren freien Tag auf Montag oder Freitag legen müssen.
- Gleitzeit nur großzügiger
Bereits vor der Implementierung der 4-Tage-Woche hatte das österreichische Unternehmen eine Gleitzeitregelung eingeführt. Diese wurde mit der Zeit jedoch noch flexibler gestaltet. Heute gibt es nur noch Kernarbeitszeiten von 9:00 bis 12:00 Uhr von Dienstag bis Donnerstag. Die verbleibende Arbeitszeit kann nach individuellen Präferenzen gestaltet werden.
- Homeoffice
Jeder kann, keiner muss. Wie bereits bei den vorigen Maßnahmen, gilt auch bei der Homeoffice-Regelung, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter individuell entscheiden können, wo sie arbeiten möchten. Einziger Fixpunkt, jeder Angestellt muss einmal pro Woche im Büro sein.
- Work-Life-Blending aber bitte in Maßen
Zur Sicherung des Wohlbefindens der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat die Unternehmensführung Richtlinien eingeführt, um sicherzustellen, dass niemand das Gefühl hat, rund um die Uhr arbeiten zu müssen. So werden beispielsweise E-Mails ab einer bestimmten Uhrzeit und während des Wochenendes nicht mehr zugestellt, sondern erst zu Beginn des nächsten Arbeitstages.
Hartmuts Infopunkt
Als Work-Life-Blending wird die Verwässerung der Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben bezeichnet. Termine und Aufgaben sollen nicht mehr strikt in diese Kategorien eingeteilt werden, sodass ein ständiger Wechsel zwischen beruflichen und privaten Terminen stattfindet. Eine Abgrenzung findet demnach nicht mehr statt. Der Nachteil dieser Arbeitsweise ist, dass es zunehmend schwerer wird, komplett abzuschalten und den beruflichen Alltag hinter sich zu lassen.
- Die DNA
Um den Erfolg in einer Arbeitsumgebung aufrechtzuerhalten, die stark auf Eigenverantwortung setzt, ist eine klar definierte Unternehmenskultur oder „Unternehmens-DNA“ von entscheidender Bedeutung. Bei eMagnetix wird diese Kultur selbstverständlich von der Führungsebene vorgelebt. Dennoch reicht dies allein nicht aus, um sicherzustellen, dass sie von allen Mitarbeitern verinnerlicht wird.
Daher wird während des gesamten Onboarding-Prozesses intensiv auf die Unternehmens-DNA eingegangen. Zusätzlich erhalten neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen „Buddy“ an die Seite gestellt, der sicherstellt, dass alle aufkommenden Fragen und Unklarheiten in der ersten Woche geklärt werden.
eMagnetix vereint also zahlreiche Aspekte der New Work mit klaren Rahmenbedingungen. Diese Rahmenbedingungen setzen immer den Mensch in den Vordergrund, sodass Flexibilität nach den eigenen Wünschen gelebt werden kann und nicht nach den Vorgaben des Unternehmens.
Fazit
Die Arbeitswelt erlebt einen Wandel. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter streben nicht länger danach, bloß vorgegebene Aufgaben abzuarbeiten, sondern möchten sich selbst entfalten, flexibel arbeiten und ausreichend Zeit für ihr Privatleben haben. Daran knüpft New Work an und kann als Lösung für zahlreiche Herausforderungen dienen.
Es ist allerdings wichtig zu betonen, dass New Work kein kurzlebiger Trend ist, den man einfach so einführen kann. Es handelt sich um eine Arbeitskultur, die aktiv in den Unternehmensalltag integriert und ernst genommen werden muss. Allein mit der Bereitstellung von Benefits, ohne die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen, ist das Vorhaben zum Scheitern verurteilt.
Der Erfolg dieses Ansatzes hängt maßgeblich davon ab, ob das gesamte Unternehmen, einschließlich der Führungsebene, dahintersteht. Wenn dies der Fall ist, kann, wie das Beispiel von eMagnetix zeigt, die Umsetzung von New Work zu einer Steigerung des Erfolgs und zur Lösung des Fachkräftemangels beitragen.
Es ist also keineswegs so wie es am Anfang des Beitrags erschien, dass New Work gescheitert ist. Vielmehr kann das Konzept von New Work bei richtiger Umsetzung äußerst vielversprechend sein, während der kurzfristige Trend „New Work“ nicht alle Erwartungen erfüllen wird.
Oder wie es die Franzosen zu sagen pflegten:
New Work ist tot – lang lebe New Work!