Warum haben manche Unternehmen größere Probleme mit dem Fachkräftemangel als andere? Häufig ist der erste Impuls auf diese Frage: Die anderen zahlen einfach mehr!
Der Gedanke ist zwar nachvollziehbar, aber nicht immer richtig. Denn häufig steckt viel mehr dahinter – und zwar viel mehr Arbeit.
Viele Unternehmen unterschätzen immer noch, wie wichtig ein starkes Employer Branding ist. Dabei hilft es insbesondere Unternehmen, die verstärkt unter dem Fachkräftemangel leiden – wie man am Beispiel von Booking.com sehen kann.
Der größte Fehler
Superlative sind oft schwierig, da es in manch einem Unternehmen sicher größere Fehler in der Personalabteilung gibt als den folgenden.
Es wäre daher wohl korrekter von dem verbreitetsten Problem von Personalabteilungen zu sprechen: der unzureichenden Größe der Personalabteilung. Und damit einher, geht selbstverständlich die unzureichende Größe des Recruiting-Teams und der Personen, die sich mit dem Employer Branding beschäftigen.
In Deutschland betreuen durchschnittlich 1,7 Personalverantwortliche 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das bedeutet, dass 1-2 Personen für alle Anliegen von 100 Beschäftigten zuständig sind, neue Talente anwerben müssen und sich noch um die Außendarstellung des Unternehmens kümmern sollen. Im schlimmsten Fall müssen sie sogar zusätzlich noch die Lohn- und Gehaltsabrechnungen erledigen.
Das ist sehr viel Mensch auf sehr wenig HR-Kapazität, aber man muss selbstverständlich immer ein Stück weit den Kontext betrachten. Bei einem Unternehmen mit 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kann (wir möchten an dieser Stelle die Betonung auf „kann“ legen) ein Team von 20 Personalerinnen und Personalern sicher ausreichend sein. Arbeit kann in diesem Fall aufgeteilt sein und der kreative Austausch sorgt für bessere Strategien bei der Talentakquise und dem Employer Branding.
Bei einem Unternehmen mit 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und 3 Personalerinnen und Personalern sieht das Ganze schon anders aus. Hier wird es in der Regel nicht möglich sein, die täglich anfallende Arbeit zu erfüllen und sich um die strategische Ausrichtung zu kümmern.
Best Practice: Booking.com
Booking.com hat im Bereich Employer Branding einen klaren Vorteil gegenüber vielen anderen Unternehmen: Es ist in einer Branche tätig, die von Natur aus Emotionen weckt – schließlich liebt jeder Urlaub!
Eine aufregende Branche ist jedoch kein Alleinstellungsmerkmal. Deswegen hat Booking.com erkannt, dass es mehr braucht als nur eine gute Bezahlung und attraktive Zusatzleistungen. Entscheidend ist ein starkes Employer Branding.
Hierum kümmert sich das sogenannte A-Team von Booking.com. Es besteht aus 20 Spezialistinnen und Spezialisten, die sich ausschließlich auf das Employer Branding, Personalmarketing und die Einarbeitung neuer Talente konzentrieren.
Das Geheimnis des Erfolgs vom A-Team ist recht schnell erzählt. Eigentlich reicht ein Schlagwort: Mitarbeiterinterviews.
Identifikation mit dem Arbeitgeber
Über diese Gespräche identifizierte Booking.com, was den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wichtig ist, um sich mit ihrem Arbeitgeber zu identifizieren:
- Zugehörigkeit: Förderung einer einladenden und integrativen Kultur, in der sich jeder wertgeschätzt fühlt.
- Entwicklung: Bereitstellung kontinuierlicher Lernmöglichkeiten, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dabei zu helfen, ihre Fähigkeiten und ihre Karriere auszubauen.
- Entdeckung: Förderung eines Geistes der Neugier und des Entdeckens, sowohl innerhalb der Reisebranche als auch darüber hinaus.
- Auswirkungen: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befähigen, das Reiseerlebnis von Millionen Menschen wirklich zu verbessern.
All das klingt einleuchtend, könnte aber wahrscheinlich auch genauso von ChatGPT geschrieben worden sein. (Keine Sorge, ist es nicht.) Aber die Identifikation solcher Faktoren reicht nicht aus, es müssen konkrete Maßnahmen folgen.
Das Leitbild
So hat Booking.com bzw. das A-Team aus den gewonnenen Erkenntnissen der Mitarbeitergespräche zunächst einmal ein Leitbild erschaffen.
„Your Booking.com journey starts here.“ Zugegebenermaßen, der Slogan ist nicht der Gipfel der Kreativität. Schließlich ist der Weg vom Reiseveranstalter zu dem Start einer Reise nicht so weit. Es geht aber darum, was Booking.com daraus macht.
Sie bieten nicht einfach Arbeitsplätze an, sondern die Möglichkeit, Teil von etwas Größerem zu werden: einer Reise voller Entdeckungen und Erkundungen. Das spricht vor allem reisebegeisterte Menschen an – also genau den Talentpool, den sie erreichen wollen.
Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Aus diesem Leitbild wurden dann konkrete Punkte formuliert, die das Engagement von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stärken sollen. Die vier wichtigsten Punkte sind:
- Reisefieber wecken: Durch eine große Online-Community können sich Kunden sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Augenhöhe austauschen und sich gegenseitig zu neuen Reisen inspirieren.
- Employee Advocacy Programm:com unterstützt seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv dabei, zu Markenbotschaftern zu werden. Dafür stellt das Unternehmen leicht teilbare Inhalte zur Verfügung und motiviert die Angestellten, diese über ihre eigenen Social-Media-Kanäle zu verbreiten.
- Personal Branding Powerhouse: Alleine die Marke Booking.com auf den persönlichen Kanälen zu teilen, wird auf lange Sicht keine Arbeitnehmerin bzw. keinen Arbeitnehmer vom Unternehmen überzeugen. Daher bietet Booking.com Workshops an, in denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lernen, ihre persönliche Marke aufzubauen. Hiervon profitieren beide Seiten. Denn Booking.com wird weiter in den Vordergrund gerückt und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter profitieren womöglich durch eigene Kooperationen davon.
Das gesamte Programm wird durch attraktive Benefits von Booking.com ergänzt. So erhalten alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Rabatte auf Buchungen – ebenso wie deren Familie und Freunde.
Außerdem dürfen sie bis zu 20 Tage im Jahr von jedem Ort der Welt aus arbeiten, ganz im Sinne eines Reiseveranstalters.
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Erfolg muss gemessen werden
Um sicherzustellen, dass die Maßnahmen wirksam sind, misst Booking.com verschiedene relevante KPIs, wie zum Beispiel die Anzahl der Neueinstellungen pro Event und den Employer Brand Index.
Dadurch behalten sie nicht nur die Stimmung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Blick, sondern können auch regelmäßig ihre Maßnahmen überprüfen, bewerten und anpassen, um die Arbeitgebermarke von Booking.com kontinuierlich zu verbessern.
Und all das zeigt Wirkung: 91 % der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Booking.com sagen, dass es ein großartiger Arbeitsplatz ist. Solche Kennzahlen werden auch von potenziellen Talenten wahrgenommen und spielen eine wichtige Rolle bei deren Entscheidungsfindung.
Fazit
Natürlich kann nicht jedes Unternehmen die Reiselust seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wecken und dadurch die eigene Marke stärken. Doch darum geht es beim Employer Branding auch nicht. Wichtiger ist, dass jedes Unternehmen seine eigenen Stärken und Schwächen erkennt. Diese sollten gezielt identifiziert werden. Mitarbeitergespräche sind dabei ein effektives Mittel, um die Stimmung im Unternehmen zu erfassen und mögliche Maßnahmen abzuleiten.
Es ist zwar nicht immer leicht, die vielfältigen Rückmeldungen in 4-5 zentrale Kernbotschaften zu übersetzen, aber der Aufwand lohnt sich. Booking.com macht es vor!