Früher wurde gekündigt, ein letztes Mal der Büroschlüssel abgegeben und dann verschwand man im Stillen. Heute ist das anders.
Kündigungen werden sichtbarer, lauter, öffentlicher. Sie sind manchmal ein Akt der Selbstbehauptung, manchmal ein letzter Hilfeschrei und oft ein klares Statement: „So nicht mehr!“
Begriffe wie Loud Quitting und Loud Leaving verändern gerade die Art, wie wir über Arbeit, Kultur und Führung sprechen.
Doch was steckt wirklich dahinter? Sind diese Phänomene ein Zeichen fehlender Loyalität? Oder ein Signal, dass Unternehmen genauer hinhören sollten?
Von leise zu laut: Wie Quiet Quitting den Anfang machte
Der Begriff Quiet Quitting ist längst in der Arbeitswelt angekommen. Damit gemeint ist nicht die offizielle Kündigung, sondern die innere. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter machen nur noch Dienst nach Vorschrift, verzichten auf Extras, Herzblut und Engagement.
Ein stiller Rückzug gilt als Protest gegen:
- Überforderung und schlechte Führung
- Fehlende Entwicklungsmöglichkeiten
- Mangelnde Wertschätzung
Loud Quitting und Loud Leaving setzen da an, aber sie bleiben nicht leise. Sie machen das Unsichtbare sichtbar und genau das verändert die Spielregeln.
Was ist Loud Quitting und was ist Loud Leaving?
Auch wenn die Begriffe ähnlich klingen, meinen sie Unterschiedliches:
- Loud Quitting: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeigen laut und deutlich, dass sie unzufrieden sind. Sie bremsen aktiv Projekte aus, stellen Leistungen ein oder machen Stimmung, noch während des Arbeitsverhältnisses.
- Loud Leaving: Der Abschied wird zur Bühne. Kündigungen erfolgen mit klarer Kritik, in Social Media Posts, auf Bewertungsportalen oder direkt im Kollegenkreis.
Beide Phänomene sind nicht nur der Ausdruck von Frust und Unzufriedenheit, sie sind auch ein gesellschaftlicher Spiegel.
Die Generation Z zögert nicht, Missstände offen anzusprechen. Plattformen wie TikTok oder LinkedIn bieten dafür Reichweite.
Gen Z, Sichtbarkeit und psychologische Sicherheit
Was treibt diesen Wandel an?
Diese 3 Faktoren spielen eine zentrale Rolle:
- Die Generation Z ist nicht bereit, schlechte Führung oder veraltete Strukturen einfach hinzunehmen. Sie benennt, was nicht passt. Laut und direkt.
- Plattformen wie TikTok und LinkedIn ermöglichen es, Erfahrungen schnell mit einer großen Community zu teilen. Der Exit wird sichtbar.
- Das Bedürfnis nach psychologischer Sicherheit wächst, also ein Arbeitsklima, in dem Kritik erlaubt ist, ohne Angst vor Konsequenzen haben zu müssen. Wird sie intern nicht geboten, wird sie extern gesucht.
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Warum HR genau jetzt gefragt ist
Kündigungen, egal ob laut oder leise, wurden in vielen Unternehmen lange als Scheitern betrachtet. Von Führungskräften, von HR und manchmal sogar von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern selbst.
Der Fokus lag meist auf Schadensbegrenzung, nicht auf Reflexion.
Doch gerade HR, das Unternehmen sichtbar, attraktiv und glaubwürdig machen soll, kann von diesen Entwicklungen profitieren, wenn es den Wandel aktiv begleitet.
Denn wer in schwierigen Zeiten gut kommuniziert, gewinnt Vertrauen. Und wer den Mut hat, Fehler oder Kritik als Chance zu sehen, zeigt Stärke. Intern wie extern.
Ist laut kündigen ein Ausdruck moderner Arbeitskultur?
Klar ist, dass nicht jede laute Kündigung fair und nicht jede Kritik gerechtfertigt ist. Aber viele Aussagen, die heute öffentlich gemacht werden, wurden früher nur hinter vorgehaltener Hand geäußert oder gar nicht.
Typische Aussagen im Kontext von Loud Quitting/Leaving:
- „Ich habe mich in diesem Unternehmen nie gesehen gefühlt.“
- „Mein Vorgesetzter hat nie mit mir gesprochen, nur über mich.“
- „Man hat mich hier verheizt, aber nie gefragt, was ich wirklich kann.“
- „Ich kündige, weil ich zum ersten Mal auf mich selbst höre.“
Das zeigt deutlich, das lautes Gehen oft ein Symptom struktureller Probleme ist und nicht nur ein individuelles Drama.
Für Unternehmen und HR gilt daher:
- Nicht urteilen, sondern analysieren
- Nicht abblocken, sondern zuhören
- Nicht verteidigen, sondern reflektieren
Risiken für Arbeitgebermarke und Unternehmenskultur
Wer geht, spricht. Und immer öfter laut. Vor allem dann, wenn vorher niemand zugehört hat.
In Zeiten von Bewertungsportalen, öffentlichen Netzwerken und internen Flurfunkgruppen kann ein einziger Abgang zum Reputationsrisiko werden.
Mögliche Folgen für Unternehmen:
- Schlechte Bewertungen auf Kununu und Co.
- Vertrauensverlust bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
- Negative Wahrnehmung bei Bewerberinnen und Bewerbern
- Demotivation im Team („Wer geht als nächstes?“)
Wichtig ist: Es geht nicht darum, jede Kritik zu verhindern, sondern darum, mit Kritik souverän und glaubwürdig umzugehen.
HR in der Krise?
Viele Unternehmen investieren viel Geld in ihre Arbeitgebermarke. Von Hochglanz-Kampagnen, über Imagevideos bis hin zu Karriereseiten.
Aber wenn das interne Erleben nicht zur externen Kommunikation passt, wird es schnell problematisch.
HR muss heute mehr denn je:
- Ehrlich kommunizieren
- Kritik einbeziehen
- Intern und extern vernetzt denken
Eine Arbeitgebermarke ist nicht das, was Sie sagen, sondern das, was Menschen über Sie sagen, wenn Sie nicht im Raum sind.
7 konkrete Empfehlungen für HR
- Achten Sie auf Vorzeichen
Führungskräfte und HR sollten regelmäßiges Feedback und Stimmungslagen ernst nehmen. Wer laut kündigt, war vorher lange leise unzufrieden.
- Ehrliche Exitgespräche
Nicht als Pflichtaufgabe, sondern als Gelegenheit zuzuhören. Mögliche Fragen:
- „Wann haben Sie entschieden, sich zu bewerben?“
- „Was hätte verhindert, dass Sie gehen?“
- „Was möchten Sie dem Unternehmen mitgeben?“
- Kommunikationsstrategie für kritische Fälle
Nicht jede Kündigung muss thematisiert werden, aber wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter laut gehen, braucht es einen kühlen Kopf, professionelle Reaktion und klare Zuständigkeiten.
- Interne Räume für ehrliches Feedback schaffen
Bevor jemand bei Kununu postet, sollte er die Möglichkeit gehabt haben, es intern zu kommunizieren und ernst genommen zu werden.
- Pflegen Sie aktiv Ihre Online-Reputation
Reagieren Sie wertschätzend auf Bewertungen. Auf positive und kritische. Keine Ausreden, keine Rechtfertigungen, sondern zuhören und bedanken.
- Zeigen Sie Ecken und Kanten in Ihrem Employer Branding
Nicht alles ist perfekt und das muss es auch nicht. Aber glaubwürdig wird, wer auch Fehler eingesteht und Entwicklung zeigt.
- Binden Sie Führungskräfte aktiv in die Kulturarbeit ein
Lautes Kündigen ist oft die Folge schlechter Führung. Deshalb braucht es Coaching, Dialog und Verantwortungsübernahme, auch auf Leitungsebene.
Fazit: Laut kündigen heißt nicht automatisch schlecht kündigen
Loud Quitting und Loud Leaving sind der Ausdruck eines Kulturwandels, nicht unbedingt einer Krise. Sie machen sichtbar, was lange unter der Oberfläche brodelte. Und sie zeigen, wie wichtig es ist, dass Personalmarketing, HR und Führung gemeinsam an Kommunikation, Kultur und Klarheit arbeiten.
Denn am Ende geht es nicht darum, Kündigungen um jeden Preis zu vermeiden, sondern darum, sie wertschätzend, professionell und ehrlich zu begleiten. Wer das schafft, macht nicht nur einen guten Eindruck, sondern entwickelt eine starke Arbeitgebermarke.