Die Personalentwicklung ist bekanntlich kein Wunschkonzert, aber auch kein Zahlenspiel.
Dennoch sehnen sich viele HR-Verantwortliche nach einem Instrument, das Klarheit schafft, Orientierung gibt und Diskussionen fundiert. Genau hier kommt das 9-Box-Grid ins Spiel, ein Modell, das gleichzeitig strukturiert und flexibel ist.
Und wenn man es richtig einsetzt, kann es sogar aus einem gewöhnlichen Mitarbeitergespräch ein strategisches Zukunftsmeeting machen.
Aber Vorsicht: Wer hier Menschen nur in „hoch“ und „niedrig“ einteilt, hat das Modell nicht verstanden. Denn die Kunst liegt darin, es kontinuierlich und individuell mit Leben zu füllen und nicht Talente einfach nur einmal in Schubladen zu stecken.
Was ist das 9-Box-Grid?
Das 9-Box-Grid ist ein strategisches HR-Tool zur Bewertung und Einordnung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern anhand zweier Dimensionen:
- Leistung (Performance)
- Potenzial (Potential)
Es entstand ursprünglich im Kontext der Nachfolgeplanung beim Automobilkunden General Electric (GE) und wurde in diesem Zuge in den 1970er Jahren von der Unternehmensberatung McKinsey entwickelt.
- X-Achse: Leistung (Performance) – Wie gut macht jemand seinen Job?
- Y-Achse: Potenzial (Potential) – Wie gut könnte jemand in Zukunft sein?
Die X-Achse bildet dabei die individuelle Leistung ab, gemessen an Zielerreichung, Ergebnissen, Verhalten im Team und anderen Leistungskennzahlen, die je nach Unternehmen und Branche variieren.
Die Y-Achse zeigt das Entwicklungspotenzial, also die Fähigkeit und Bereitschaft einer Person, in Zukunft komplexere Aufgaben oder Führungsrollen zu übernehmen.
Kombiniert ergeben sich neun Felder, die helfen, gezielte Personalentscheidungen zu treffen, von Förderung & Entwicklung über Versetzung und ja sogar bis hin zur Trennung.
Die neun Boxen im Detail
Low Performance / Low Potential
- Hier landet niemand gern.
- In der Praxis bedeutet es meist, dass eine Person aktuell weder die Erwartungen erfüllt noch signifikantes Entwicklungspotenzial zeigt.
- Wenn weder Leistung noch Potenzial sichtbar sind, braucht es dringend Gespräche, Feedback und ggf. Konsequenzen. Vielleicht ist der Job einfach nicht passend, es fehlt an Motivation, oder es ist schlicht das falsche Unternehmen.
Low Performance / Medium Potential
- Personen in diesem Feld haben ungenutzte Ressourcen.
- Sie zeigen schwankende Leistungen mit mittelmäßigem Potenzial, zeigen aber Ansätze von Engagement, Lernfähigkeit oder Denkvermögen, das in anderen Kontexten aufblühen könnte.
- Coaching oder ein Rollenwechsel können hier entscheidend sein.
Low Performance / High Potential
- Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die versteckten Juwelen im Unternehmen.
- Sie haben hohes Potenzial, liefern aber (noch) keine starke Leistung. Oft liegt das Problem im Umfeld, z.B. mangelnde Herausforderung, falsche Führung, fehlende Perspektive.
- Mit gezielter Förderung/Motivation und einer neuen (passenderen) Aufgabe lässt sich hier oft viel bewegen.
Medium Performance / Low Potential
- Solide, aber nicht spektakulär.
- Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfüllen ihre Aufgaben ordentlich, zeigen aber wenig Ambitionen oder Entwicklungspotenzial.
- Nicht jeder will aufsteigen, und das ist in Ordnung. Stabilität ist auch eine Stärke.
Medium Performance / Medium Potential
- Die klassische Mittelfeldposition.
- Verlässliche Arbeit, punktuelles Engagement, ein gewisses Entwicklungspotenzial.
- Mit der richtigen Unterstützung kann hier viel passieren, oder man hat eine dauerhaft stabile Fachkraft.
Medium Performance / High Potential
- Diese Gruppe ist besonders spannend für HR.
- Personen, die gute Arbeit leisten und klar erkennen lassen, dass sie mehr wollen und mehr können.
- Das sind oft Rohdiamanten, die mit der richtigen Förderung glänzen könnten. Ein Fall für gezielte Entwicklungsprogramme.
High Performance / Low Potential
- Hier sprechen wir von Spezialistinnen und Spezialisten.
- Sie beherrschen ihren Job hervorragend, aber bringen nicht den Wunsch oder das Profil für größere Aufgaben oder mehr Verantwortung mit. Diese Menschen glänzen in ihrer Rolle, aber möchten (oder sollten) nicht in Führung. Und das ist völlig okay! Karriere ist nicht gleich Management.
- Unternehmen tun gut daran, diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrer Expertise zu stärken, statt sie in Führung zu drängen, wo sie möglicherweise scheitern.
High Performance / Medium Potential
- Top-Leistungen kombiniert mit einer gewissen Entwicklungsperspektive.
- Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind oft zentrale Säulen im Tagesgeschäft, sie können mehr, brauchen aber gezielte Entwicklungspfade, um sich in neuen Rollen zu entfalten.
High Performance / High Potential
- Das berühmte Dreamteam: Leistungsstark, ambitioniert, lernbereit.
- Sie liefern konstant herausragende Leistungen und haben das Potenzial für höhere Aufgaben.
- Diese Talente gilt es zu identifizieren und strategisch aufzubauen. Denn sie sind die Führungskräfte von morgen und oft schon die Leistungsträger von heute.
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Die Anwendung in der Praxis
Das 9-Box-Grid sollte nicht „im stillen Kämmerlein“ angewendet werden.
Vielmehr ist es ein kollaboratives Werkzeug,
- das Dialog,
- Reflexion und
- Differenzierung ermöglicht.
Und wie erfolgt die Einordnung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
Idealerweise erfolgt die Einordnung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in:
- Workshops,
- mit Führungskräften,
- basierend auf strukturierten Bewertungsgrundlagen, z.B. Jahresgesprächen, Feedbacks, Projektleistungen und Potenzialanalysen.
Wichtig ist die Kalibrierung:
- Führungskräfte neigen dazu, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter subjektiv unterschiedlich zu bewerten. Hier schafft eine moderierte Diskussion im Team Abhilfe. Es geht nicht darum, Einordnungen zu rechtfertigen, sondern sie gemeinsam zu reflektieren.
Vorteile des 9-Box-Grids
- Transparenz: Die Matrix gibt einen strukturierten Überblick über die Belegschaft und schafft Vergleichbarkeit.
- Strategieanbindung: Talent-Management wird Teil der unternehmerischen Gesamtstrategie. Sie hilft bei der Nachfolgeplanung und der Identifikation von Entwicklungspotenzialen.
- Zukunftsplanung: Es erleichtert die Nachfolgeplanung und verhindert spontane Lücken im Schlüsselpersonal.
- Individualisierte Förderung: Entwicklungsmaßnahmen können gezielt auf die individuellen Stärken und Schwächen sowie Bedürfnissen abgestimmt werden.
- Mitarbeiterbindung: Wer weiß, dass sein Potenzial gesehen wird, bleibt eher im Unternehmen.
Herausforderungen und Grenzen
So überzeugend das Modell ist, es hat auch seine Schwächen, die es zu beachten gibt.
- Subjektivität: Potenzial lässt sich nicht objektiv messen. Einschätzungen sind oft stark geprägt von der eigenen Perspektive.
- Etikettierung: Die Einordnung kann Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stigmatisieren, wenn sie nicht als Momentaufnahme, sondern als Bewertung wahrgenommen wird.
- Statische Betrachtung: Menschen entwickeln sich weiter. Wer heute als „mittelmäßig“ gilt, kann morgen ein Top-Performer sein, oder umgekehrt.
- Kulturelle Aspekte: In stark hierarchischen oder kompetitiven Kulturen kann das Grid zu Misstrauen führen, wenn nicht offen mit den Ergebnissen umgegangen wird.
Eine Frage der Haltung und der Haltung zum Menschen
Das 9-Box-Grid ist kein Instrument, um Menschen „wegzusortieren“ oder in Schubladen zu stecken, sondern ein Modell, das Dialog und Entwicklung fördert.
Es zwingt Führungskräfte dazu, sich differenziert mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auseinanderzusetzen und genau das macht seinen Wert aus.
Wir bringen es mal so auf den Punkt:
- „Das Grid ist kein Spiegel, es ist ein Fenster. Man sieht nicht, was jemand ist, sondern was er oder sie sein kann.“
Fazit: Kein starres Raster, sondern ein dynamischer Kompass
Das 9-Box-Grid ist mehr als ein Raster. Es ist ein strategisches Werkzeug, das, richtig angewandt, einen echten Unterschied macht.
Für Führungskräfte, für HR und vor allem für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst. Denn die Kunst liegt nicht darin, ein Feld zuzuweisen, sondern darin, das nächste zu ermöglichen.
Und ganz wichtig:
- Gute Personalentwicklung beginnt nicht mit einem Tool, sondern mit einer Haltung. Aber ein gutes Tool kann helfen, diese Haltung in Handlungen zu übersetzen.
Wer also bereit ist, seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur zu verwalten, sondern gezielt zu entwickeln, findet im 9-Box-Grid ein bewährtes und flexibles Instrument.
Und vielleicht ist es am Ende genau das, was moderne HR-Arbeit braucht:
- Klarheit ohne Kälte
- Struktur ohne Starrheit
- Und ein Modell, das sagt: Jeder Mensch hat Potenzial, die Frage ist nur, wo es zur Entfaltung kommt.
Denn am Ende geht’s nicht darum, Leute zu bewerten, sondern sie zu entwickeln.