Seit dem Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur verpflichtenden Zeiterfassung 2019 wurde viel über Pflichten, Fristen und mögliche Umsetzungen diskutiert.
Doch was bedeutet das konkret für Unternehmen und was gilt heute?
Viele Unternehmen fragen sich deshalb:
- Was genau gilt bereits?
- Inwiefern betrifft uns das auch mit Vertrauensarbeit?
- Wie können wir das Ganze effizient und sinnvoll umsetzen?
Was hat der EuGH 2019 eigentlich entschieden?
Im Mai 2019 entschied der Europäische Gerichtshof, dass Arbeitgeber dazu verpflichtet sind, ein verlässliches und zugängliches System zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit einzuführen.
Das Ziel dieser Entscheidung ist es, die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu stärken, besonders im Hinblick auf Überstunden, Ruhezeiten und Arbeitszeitschutz. Die EU-Arbeitszeitrichtlinie sieht klare Grenzen bei der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit vor, jedoch lassen sich diese ohne Zeiterfassung kaum überprüfen.
Als Mitgliedsstaat der EU war Deutschland verpflichtet, Zeiterfassung zügig umzusetzen.
Doch es dauerte, bis das Bundesarbeitsgericht (BAG) 2022 klarstellte: Die Zeiterfassung ist jetzt schon Pflicht.
Der aktuelle Gesetzesentwurf: Was plant das neue Arbeitszeitgesetz?
Um Rechtssicherheit zu schaffen, hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) 2023 einen Entwurf zur Reform des Arbeitszeitgesetzes vorgelegt. Aktuell befindet sich dieser in der parlamentarischen Abstimmung, wird aber voraussichtlich dieses Jahr noch in Kraft treten.
Die zentralen Punkte aus dem Gesetzesentwurf:
- Pflicht zur elektronische Zeiterfassung: Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit müssen elektronisch erfasst werden
- Frist zur Eintragung: Spätestens bis zum Ende des jeweiligen Arbeitstags
- Aufbewahrungspflicht: Arbeitszeitdaten müssen mindestens 2 Jahre gespeichert werden
- Zugriff für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Einsicht
- Vertrauensarbeitszeit bleibt möglich: aber nur mit Nachweis über tatsächliche Arbeitszeiten
- Übergangsfristen: je nach Unternehmensgröße gibt es längere Fristen zur Einführung
Die Reform des Arbeitszeitgesetzes schafft einheitliche Regelungen für mehr Rechtssicherheit sowie digitale Lösungen, die deutlich weniger fehleranfällig als herkömmliche Stundenzettel sind.
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EU-weite Standardisierung & Best Practices aus unseren Nachbarländern
Die EU-Kommission plant für 2026 eine überarbeitete Arbeitszeitrichtlinie, die nicht nur verbindliche Mindestpausen, sondern auch digitale Aufzeichnungsstandards vorgibt. Das Ziel ist eine einheitliche Regelung und vergleichbare Zeitdaten in den Mitgliedstaaten.
Ein Blick auf unsere Nachbarländer zeigt, wie verschiedene Modelle bereits erfolgreich umgesetzt werden:
- Frankreich: Bereits 2017 trat ein Gesetz in Kraft, das Großunternehmen zur elektronischen Zeiterfassung verpflichtet. Seit 2022 folgen auch kleinere Unternehmen diesem Standard.
- Spanien: Seit 2019 müssen alle Unternehmen mit mehr als 10 Beschäftigten eine elektronische Zeiterfassung einsetzen. Zusätzlich werden die Daten monatlich der Arbeitsaufsicht gemeldet.
- Portugal: Portugal erlaubt ergänzend zur Zeiterfassung ein flexibles Modell der „Vertrauensstempelung“ – die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestätigen ihre Arbeitszeit eigenverantwortlich.
Mehr als nur Pflicht: Zeiterfassung als Führungsinstrument
Zeiterfassung ist nicht nur eine gesetzliche Vorgabe, sie bringt auch echte Vorteile für den Alltag mit.
Führungskräfte erhalten außerdem wertvolle Einblicke in Arbeitsbelastung, Projektzeiten oder Pausenverhalten. Das gibt Planungssicherheit, lässt Überlastung frühzeitig erkennen und hilft, Ressourcen sinnvoll zu steuern und die Arbeitsbelastung fair zu verteilen.
Auch in Bezug auf Vertrauensarbeitszeit schafft Zeiterfassung Transparenz für beide Seiten. Nicht zur Kontrolle, sondern auch zur Unterstützung. Sie fördert auch Eigenverantwortung mit der richtigen Kommunikation.
Was heißt das für die Praxis?
- Papier- und Excel-Listen ade
In vielen Unternehmen werden die Zeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer noch über Stundenzettel oder per Excel-Liste dokumentiert. Das wird zukünftig nicht mehr zulässig sein, denn der Gesetzesentwurf fordert die „elektronische Zeiterfassung“.
- Vertrauensarbeitszeit – ja, aber…
Gerade in flexiblen Unternehmen oder im Homeoffice ist Vertrauensarbeitszeit weit verbreitet, das soll sich zukünftig auch nicht ändern, aber nur mit Zeiterfassung im Hintergrund. Denn auch hier muss dokumentiert werden, wann und wie lange gearbeitet wurde.
- Konsequenzen bei Verstößen
Auch wenn das Gesetz noch nicht final verabschiedet ist: Die Pflicht zur Zeiterfassung gilt bereits heute. Bei Verstößen drohen empfindliche Bußgelder bis zu 30.000 €.
Außerdem steigt das Risiko in arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen, wenn zum Beispiel Überstunden nicht korrekt erfasst oder ausgezahlt wurden. Hier kann fehlende Zeiterfassung zum Nachteil des Arbeitgebers ausgelegt werden.
Umsetzung in der Praxis: 5 Tipps für Unternehmen
- Status prüfen:
Wie wird Arbeitszeit aktuell erfasst? Gibt es bereits Tools, die erweitert oder angepasst werden können?
- Digitale Lösung:
Setzen Sie auf eine bedienungsfreundliche und cloudbasierte Software, die DSGVO-konform ist und flexibel anpassbar ist
- Mitarbeitende einbinden:
Räumen Sie frühzeitig Vorbehalte aus, klären Sie über Vorteile auf und informieren Sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter transparent, denn Zeiterfassung betrifft uns alle
- Klare Prozesse definieren:
Wer erfasst wann was? Wie werden Pausen dokumentiert? Was gilt im Außendienst oder Homeoffice? Legen Sie hier klare Regeln fest.
- Schnittstellen nutzen:
Eine Integration mit der Lohnabrechnung oder HR-Systemen spart Zeit und reduziert Fehler
RZH Insight: Zeiterfassung kann auch einfach sein
Wir begleiten bereits Unternehmen dabei, die Zeiterfassung rechtssicher und effizient umzusetzen, mit individuellen Lösungen, die auf Sie abgestimmt sind. Denn wir wissen: Zeiterfassung muss praktisch und anwenderfreundlich sein.
Unsere Lösungen bieten:
- Digitale Zeiterfassung
- Flexible Arbeitszeitmodelle & Homeoffice-Regelungen
- Automatisierte Übergabe an die Lohnabrechnung
- Echtzeitauswertungen
Erfahren Sie hier mehr: https://www.rzhartmann.de/zeitwirtschaft/
Fazit: Jetzt handeln lohnt sich
Die Zeiterfassungspflicht ist keine theoretische Zukunftsvision mehr, sie ist längst gelebte Realität. Sie betrifft jedes Unternehmen, jede Branche und jede Arbeitsform, von stationär bis mobil, von Vollzeit bis Minijob.
Wer jetzt handelt, vermeidet nicht nur Bußgelder, sondern steigert vor allem auch die Transparenz und fördert eine faire Arbeitskultur.