Der Karenztag aus Sicht der Lohn- und Gehaltsabrechnung

Ein Fieberthermometer liegt auf Pillen. Der Hintergrund ist dunkel.

Inhalt

Die Forderung von Allianz-Chef Oliver Bäte nach einem Karenztag bei Krankheit hat eine kontroverse Diskussion ausgelöst. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, ob ein Karenztag das geeignete Mittel ist, um dem hohen Krankenstand von deutschen Abreitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu begegnen.

Bisher wurde jedoch kaum darüber gesprochen, welche rechtlichen Hürden ein solcher Schritt mit sich bringt und welche Auswirkungen er auf die Lohn- und Gehaltsabrechnung hätte.

Was ist ein Karenztag?

Karenztage bezeichnen die tageweise Freistellung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Im Falle eines Karenztages ist der Arbeitgeber zudem von der Lohnfortzahlung befreit.

Den Karenztag gab es in Deutschland schon mal, wurde allerdings in den 70er-Jahren abgeschafft. Zurzeit gibt einen Karenztag innerhalb der Europäischen Union nur noch in Schweden, Spanien und Griechenland.

Befürworter des Karenztages erhoffen sich dadurch eine höhere Hürde für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die eine Krankschreibung gerne zum „Blaumachen“ nutzen. Kritiker des Karenztages weisen hingegen darauf hin, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich aufgrund des Karenztages mit Erkältungssymptomen zur Arbeit schleppen und weitere Teile der Belegschaft dadurch anstecken.

Das Für und Wider des Karenztages

Auslöser der ganzen Debatte sind Zahlen des Krankenstandes im Vergleich zu den restlichen Ländern Europas. 2022 führte Deutschland die Statistik mit durchschnittlich 24,9 Fehltagen pro Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerin an. Auf Platz 2 folgte Tschechien mit 19,2 Tagen – also bereits ein deutlicher Unterschied. Großbritannien hingegen verzeichnete lediglich 5,7 Fehltage pro Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer.

Befürworter des Karenztages machen das „Blaumachen“ für den hohen Krankenstand verantwortlich. Ihrer Meinung nach würden Menschen seltener grundlos fehlen, wenn sie an den ersten Krankheitstagen keinen Lohn erhielten, da sie dadurch finanzielle Einbußen hätten.

Laut Bäte könnten durch die Einführung eines Karenztags jährlich rund 40 Milliarden Euro eingespart werden. Aktuell zahlen deutsche Arbeitgeber etwa 77 Milliarden Euro pro Jahr an Gehältern für krankgeschriebene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Von diesen Kosten übernehmen die Krankenkassen 19 Milliarden Euro. Insgesamt machen die Lohnfortzahlungen etwa 6 % der Sozialausgaben aus.

Unterstützung erhält Bäte unter anderem von Monika Schnitzer, der Vorsitzenden der Wirtschaftsweisen, sowie von Unternehmen wie ALUCA. Aniela Liepold, Personalchefin des Fahrzeugzubehörhändlers, berichtet aus eigener Erfahrung: Sie beobachtet regelmäßig „Wunderheilungen“ bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die nach genau sechs Wochen wieder arbeitsfähig sind – just zu dem Zeitpunkt, an dem die Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber endet.

Bäte, Schnitzer & Co. bekommen Gegenwind

Es formiert sich allerdings breiter Widerstand gegen die Idee des Karenztages. Carsten Maschmeyer reagierte auf LinkedIn quasi umgehend mit einem klaren Statement: „Krank sein darf niemals bestraft werden! Und schon gar nicht in Form von Lohnkürzungen.“

KI-generiertes Bild auf dem zwei Männer im Anzug über den Karenztag
In der Debatte um Karenztage wurde es zuweilen hitzig.

In dasselbe Horn stoßen Magdalena Rogl, Diversity & Inclusion Lead bei Microsoft Deutschland, die ebenfalls auf LinkedIn sagt: „Wenn wir unseren Mitarbeitenden nicht vertrauen können, dann haben wir als Führungskräfte schon einen Fehler bei der Einstellung gemacht.“

Standesgemäß positionieren sich selbstverständlich auch sämtliche Gewerkschaften gegen den Vorschlag. Da Tarifverträge eine 100-prozentige Lohnfortzahlung garantieren, ist der Vorschlag allein aus diesem Grund eigentlich schon kaum umsetzbar.

Statistik verfälscht

Nach Angaben der DAK ist die Studie zu den Fehltagen in Europa nicht direkt vergleichbar, da die Länder unterschiedliche Methoden zur Datenerhebung nutzen.

KI-generiertes Bild. Frau steht vor einem Whiteboard voller Statistiken
Die statischtische Erhebung des Krankenstandes ist in Europa unterschiedlich, was eine Vergleichbarkeit erschwert.

Ein Beispiel dafür ist der sprunghafte Anstieg der Fehltage in Deutschland im Jahr 2022 um 40 %, der unter anderem durch die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) begründet ist.

Diese sorgt dafür, dass Krankmeldungen ab dem ersten Tag automatisch an die Krankenkassen übermittelt und in die Statistik aufgenommen werden. Vor der Einführung der eAU wurden einige Krankschreibungen gar nicht weitergeleitet, weshalb diese Tage früher in den Daten fehlten.

Zudem nennt die DAK als weitere Ursachen für den Anstieg die anhaltenden Folgen der Corona-Pandemie und dadurch verstärkte Erkältungswellen.

Einen Einfluss durch den Missbrauch der telefonischen Krankschreibung und den damit einhergehenden „Blaumachen“ sieht die DAK hingegen nicht.

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Szenario: Der Karenztag kommt

Nun ist es äußerst unwahrscheinlich, dass ein Karenztag wieder eingeführt wird. Da man jedoch nichts grundsätzlich ausschließen sollte, möchten wir uns mit der Frage beschäftigen, wie Unternehmen mit einem Karenztag umgehen müssen und heute bereits können.

Aus Sicht der Lohn- und Gehaltsabrechnung wäre eine Payroll-Software unverzichtbar, die flexibel auf neue Anforderungen reagieren kann. Ohne eine solche Software müssten Personaler den ersten Krankheitstag manuell erfassen und von der Lohnfortzahlung ausnehmen – ein zeitaufwendiger und fehleranfälliger Prozess, der in der Praxis kaum umsetzbar wäre.

Abgesehen davon gibt es bereits heute Möglichkeiten, auf Karenztage zu reagieren. Unternehmen können beispielsweise zusätzliche Urlaubstage, die über den gesetzlichen Urlaub hinausgehen, mit Karenztagen verrechnen. Voraussetzung dafür ist, dass diese Regelung im Arbeitsvertrag festgelegt ist. Auf diese Weise lassen sich Gehaltskosten ebenfalls reduzieren, ohne einen zu hohen administrativen Aufwand zu verursachen.

Dabei müssen Arbeitgeber jedoch vorsichtig agieren. Wenn beispielsweise zu den 20 gesetzlich vorgeschriebenen Urlaubstagen 12 zusätzliche Urlaubstage gewährt werden, dürfen maximal 7 dieser zusätzlichen Tage mit Karenztagen verrechnet werden. Diese Grenze ergibt sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Ein höherer Anteil würde voraussichtlich als unangemessen bewertet und könnte vor dem Arbeitsgericht angefochten werden.

Fazit

Karenztage sind kein zuverlässiges Instrument, um die Zahl der Krankheitstage nachhaltig zu senken. Die aktuelle Debatte macht jedoch deutlich, wie schnell sich die Anforderungen an die Lohn- und Gehaltsabrechnung ändern können.

Angesichts der ohnehin hohen Komplexität der deutschen Payroll-Regelungen – Deutschland gilt hier bereits als Vizeweltmeister – zeigt sich einmal mehr, wie wichtig eine flexible und automatisierte Softwarelösung ist. Solche Systeme bieten nicht nur heute einen erheblichen Vorteil, sondern werden in naher Zukunft unverzichtbar sein, um effizient und rechtssicher zu arbeiten.

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