Prominente machen es bereits vor. In der aktuellen SAT.1-Sendung „Über Geld spricht man doch“ gewähren Stars wie Tim Toupet Einblicke in ihre Finanzen. Sie sprechen offen über Einkommen, Ausgaben und ihre persönlichen Erfahrungen mit Geld.
Warum? Weil sie wissen, dass Transparenz nicht nur Mut erfordert, sondern auch einen positiven Wandel bewirken kann.
Und genau diese Offenheit wird bald nicht nur gewünscht, sondern gesetzlich vorgeschrieben.
Denn ab dem 7. Juni 2026 müssen Unternehmen gemäß der EU-Entgelttransparenzrichtlinie (EU/2023/970) in jeder Stellenanzeige das durchschnittliche monatliche oder jährliche Gehalt angeben. Bis dahin haben Unternehmen also noch Zeit, ihre Gehaltsstrukturen zu überprüfen und die Kommunikation mit Bewerberinnen und Bewerbern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu optimieren.
In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf die aktuelle Lage und zeigen, was jetzt zu tun ist, um gut vorbereitet in die Zukunft der Gehaltstransparenz zu starten. Denn über Geld zu reden, ist nicht nur eine Chance für mehr Fairness, sondern auch ein Schritt in Richtung moderner Unternehmenskultur.
Warum ist das Reden über Geld noch immer ein Tabu?
Man kann schon sagen: Das Schweigen über Geld ist tief in den gesellschaftlichen Normen und Traditionen verankert. „Über Geld spricht man nicht, man hat es oder man hat es nicht“, hieß und heißt es oft.
Besonders in Deutschland ist diese Mentalität weit verbreitet. Viele Menschen vermeiden es, über ihr Gehalt zu sprechen, aus Angst vor Neid, Missverständnissen oder gar Konflikten. Andere fürchten aber auch, ihr Wert könnte allein durch Zahlen bemessen werden.
Doch dieses Schweigen hat einen Preis. Ohne einen offenen Dialog entsteht oft eine Informationslücke, die Missverständnisse und Ungerechtigkeiten ankurbelt.
Dennoch vermeiden viele deutsche Unternehmen das Thema. Sie überlassen den ersten Zug lieber den Bewerberinnen und Bewerbern, um sich selbst mehr Verhandlungsspielraum zu sichern. Gleichzeitig möchten sie verhindern, dass sich nicht nur auf “Spitzengehälter“ fixiert wird oder eine Stelle primär wegen der Vergütung angenommen wird.
Auch befürchten Unternehmen, dass offen einsehbare Gehälter Unmut oder Konflikte auslösen könnten, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Vergütung als unfair empfinden. Der entscheidende Punkt bleibt jedoch, dass es, anders als in Österreich, Großbritannien oder den USA, in Deutschland keine gesetzliche Verpflichtung zur Gehaltstransparenz gibt.
Besonders hervorzuheben ist auch der Gender Pay Gap oder ungleiche Gehaltsstrukturen innerhalb eines Unternehmens. Hier wird deutlich, dass Transparenz den entscheidenden Unterschied macht, denn nur in wenigen Ländern der EU ist der Gender Pay Gap so groß wie in Deutschland, welcher laut einer Studie von Stepstone bei rund 12,4 Prozent liegt.
EU-Richtlinie: Ein Schritt in Richtung Gerechtigkeit
Die EU-Richtlinie zur Lohntransparenz vom 10. Mai 2023,die bis zum 7. Juni 2026 umgesetzt werden muss, ist durchaus ein echter Gamechanger.
Unternehmen müssen ab diesem Zeitpunkt offenlegen, was Beschäftigte in vergleichbaren Positionen verdienen. Ziel ist es, Lohndiskriminierung abzubauen und gleiche Bezahlung für gleiche oder gleichwertige Arbeit sicherzustellen, unabhängig von Geschlecht oder anderen Faktoren.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhalten ein Recht auf Auskunft über ihr Gehalt und das ihrer Kolleginnen und Kollegen, während Firmen verpflichtet sind, geschlechtsneutrale und transparente Gehaltsstrukturen zu schaffen.
Für Arbeitgeber bedeutet das auch Berichtspflichten: Ab 2027 müssen Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern jährlich ihr geschlechtsspezifisches Entgeltgefälle offenlegen, kleinere Unternehmen folgen gestaffelt. Deckt ein Bericht ungerechtfertigte Unterschiede von mehr als 5 % auf, ist eine Überprüfung und Nachbesserung Pflicht.
- Vorteile für Unternehmen: Ein transparenter Umgang mit Gehalt schafft Vertrauen, steigert die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und stärkt die Arbeitgebermarke. Wer nichts zu verbergen hat, gewinnt an Glaubwürdigkeit und das zahlt sich langfristig aus.
Zudem stärkt die Richtlinie die Rechte der Beschäftigten:
- Unternehmen dürfen weder die Offenlegung von Gehältern untersagen noch Fragen zur Gehaltsentwicklung aus früheren Jobs stellen.
- Bei Diskriminierung wird die Beweislast umgekehrt und Verstöße können mit Bußgeldern geahndet werden.
- Es bedeutet also keine Vermutungen mehr, was Kolleginnen oder Kollegen verdienen und weniger Raum für unfaire Bezahlungen. Transparenz sorgt dafür, dass Gehalt nicht länger ein Mysterium bleibt, sondern zu einem selbstverständlichen Gesprächsthema wird.
Mythen und Realitäten: Was Gehaltsoffenheit wirklich bewirkt
Trotz der Vorteile halten sich viele Mythen rund um das Thema Gehaltsoffenheit hartnäckig. Schauen wir uns die gängigsten Vorurteile an:
- Gehaltstransparenz führt zu Neid und Konflikten: Das Argument, dass offene Gehaltsangaben zu Spannungen im Team führen, wird oft genannt. Doch Studien zeigen, dass das Gegenteil der Fall ist. Wenn die Gehaltsstruktur nachvollziehbar und fair gestaltet ist, sinken Konflikte sogar. Transparenz gibt Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Sicherheit, gerecht behandelt zu werden.
- Niemand will über sein Gehalt reden: Tatsächlich zeigt eine Umfrage von Kununu, dass immer mehr Menschen sich Gehaltstransparenz wünschen. Vor allem jüngere Generationen wie die Millennials und die Gen Z sehen Offenheit als Teil einer gesunden Unternehmenskultur.
- Gehaltsoffenheit schadet Unternehmen: Das Gegenteil ist der Fall. Unternehmen, die transparente Gehaltsstrukturen einführen, erleben häufig eine gesteigerte Mitarbeiterbindung und Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt. Es zeigt sich ganz klar, dass offene Karten Vertrauen und Klarheit mit sich bringen. Auch die Stellenanzeigen-Analyse von Stepstone zeigt, dass die Angabe des Gehalts zu einer Steigerung der Klickrate auf Stellenanzeigen um bis zu 30 % führt.
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Wie können Unternehmen Gehaltstransparenz umsetzen?
Im Allgemeinen gibt es drei verschiedene Möglichkeiten von Gehaltstransparenz.
- Persönliche Gespräche: Selbstverständlich können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einfach miteinander reden und zwar über ihr Gehalt. Dies wurde oder wird aber von Unternehmen in Form von Klauseln im Arbeitsvertrag, wo es verboten wird, über Gehälter zu reden, eingeschränkt.
- Vergleichsportale im Internet: Vergleichsportale wie Gehalt.de, Stepstone, kununu oder auch die Datenbank des Statistischen Bundesamtes sammeln Informationen über Gehälter und Löhne oder aber sie werden auch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern selber eingetragen.
- Offenlegung durch Unternehmen: Die Gehaltstransparenz erfolgt durch das Unternehmen selber. Sei es im Rahmen von gesetzlichen Vorschriften oder die Einführung und Veröffentlichung klarer Gehaltsbänder.
Den Schritt in Richtung Gehaltstransparenz zu wagen, erfordert aber auch Mut und vor allem eine klare Strategie. Hier sind daher ein paar ausgewählte Ansätze, wie Unternehmen die Umsetzung gestalten können:
Offene Kommunikation etablieren:
- Transparenz beginnt ganz klar mit einem offenen Dialog. Unternehmen sollten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ermutigen, Fragen zu stellen und darauf klare Antworten liefern. Regelmäßige Gespräche über Gehalt und Entwicklungsmöglichkeiten sollten zur Normalität werden.
Klare Gehaltsbänder definieren:
- Tarifverträge machen es vor. Eine transparente Gehaltsstruktur mit klaren Bändern schafft Orientierung. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen so genau, was sie erwarten können und verstehen, wie ihr Gehalt zustande kommt.
Schulungen und Sensibilisierung:
- Führungskräfte sollten im Umgang mit Gehaltstransparenz geschult werden. Sie spielen eine entscheidende Rolle dabei, das Thema zu “enttabuisieren“ und Missverständnisse zu vermeiden.
Erfolge kommunizieren:
- Wenn Gehaltstransparenz zur Unternehmenspolitik wird, sollten Erfolge offen kommuniziert werden. Das schafft Motivation und zeigt, dass das Unternehmen Verantwortung übernimmt.
Die Zukunft der Gehaltstransparenz: Was uns erwartet
Die Gesetzgebung und gesellschaftliche Entwicklung deuten darauf hin, dass Gehaltsoffenheit bald zur Normalität wird.
Unternehmen, die frühzeitig auf diesen Zug aufspringen, haben die Chance, sich als Vorreiter zu positionieren. Gleichzeitig profitieren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von gerechteren Bedingungen und einem klareren Verständnis ihres eigenen Werts.
Doch Transparenz ist kein Selbstläufer. Es braucht Mut, alte Denkmuster zu durchbrechen und den Willen, eine neue Kultur zu schaffen, in der über Geld gesprochen wird. Denn nur so können wir sicherstellen, dass finanzielle Fairness nicht länger ein Traum bleibt, sondern gelebte Realität wird.
Die noch zurückhaltende Einstellung zur Gehaltstransparenz geht dabei allerdings nicht von den Beschäftigten aus. Laut der Studie „Fair: Arbeiten in Deutschland“ der Universität Konstanz im Jahr 2024 tauschen sich Beschäftigte zunehmend über ihre Gehälter aus. Vorreiter sind jüngere Kolleginnen und Kollegen. Rund 72 % der Befragten im Alter von 20-29 Jahren gaben an, dass sie sich mit Kolleginnen und Kollegen über Gehälter austauschen.
Fazit
Geld ist also kein Tabu, sondern ein zentraler Bestandteil unseres Lebens. Wer darüber spricht, schafft Klarheit, Vertrauen und Gerechtigkeit.
Egal, ob man als Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer den eigenen Wert verhandeln oder als Unternehmen eine offene Kultur etablieren möchte, Transparenz zahlt sich aus.
Reden wir über Geld, es gibt nichts zu verlieren, aber viel zu gewinnen!